Sie friert bitterlich und zittert; ihre Hände reibt sie anhauchend – sie kann ihren Atem sehen.
Erst dachte sie, es hätte geschneit – alles war so hell, weiß, aber irgendwie anders.
Später wird sie das Wort „Raureif“ aufschnappen.
Sie ist auf dem Weg zur Schule, wie immer in ihren Sneakers mit den kurzen Söckchen, ihrer dünnen Hose, darüber das luftige T-Shirt unter ihrer abgetragenen Regenjacke.
Diese Klassenkameraden mit ihren sündig teuren und schicken Markenklamotten, ja, die beneidet sie.
In der großen Pause muss sie sich um ihr Frühstück kümmern und jemanden finden, bei dem sie etwas schnorren kann. Dem sie die 50 Cent dafür gibt, die sie mitbekam.
Wenn sie heute nach Hause kommt, werden sie die Möbel im Kinderzimmer, das sie mit ihrem jüngeren Bruder teilt, verrücken.
In vier Wochen, wenn das Baby da ist, werden sie dort zu dritt schlafen müssen.
Ihr größter Wunsch ist ein Smartphone mit WhatsApp und Instagram; dann kann sie vielleicht dazugehören.
Die Personen und die Handlung der Geschichte sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
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Wer so früh schon die bittere Erfahrung der Armut machen muss, was wartet da wohl noch?
Lieben Gruß
Anna-Lena
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Wenn es nur die Erfahrung der Armut wäre. Hinzu kommt noch die Erfahrung eigentlich keine Chance zu haben, der Armut zu entfliehen. Liebe Grüße, Bernd
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Ja, das ist Alltag, von der finsteren Seite
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Das Schlimmste an deiner Etüde ist, dass das Alltag ist. So oft.
Liebe Grüße
Christiane
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Alltäglich für 4,4 Millionen Kinder. Liebe Grüße, Bernd
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Kinderarmut grenzt die Kinder aus, wie grausam das für Einzelne sein muss und wie kalt! Und es sind nicht gerade wenige, die dieses Los in dem ach so reichen Deutschland tragen, traurig und beschämend ist das!
Du hast das Thema wunderbar subtil beschrieben, danke dafür.
Herzliche Grüße, Ulli
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Armut und Ausgrenzung sind Gewalt. Danke. Liebe Grüße, Bernd
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