Rilke fiel ihr in die Hände: “ … Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben. … „.
Tränen rannen ihr die Wangen hinab.
Sie dachte an die Handvoll nicht erwiderter Lieben ihres Lebens.
Bin allein.
Sie war über die Jahrzehnte unzähligen Männern begegnet und nur bei diesen Fünfen waren sich Herz, Bauch und Verstand einig.
Jedem Einzelnen trauerte sie nach.
Fröstelnd hüllte sie sich in eine Decke; nasskalt fühlte sich ihr Inneres an.
Sie glich einem Winterbaum: aschfahl, alle Adern verschlossen, alle Kraft in seinen Wurzeln konzentriert.
Oder, wie eine Schnecke in ihr Haus, war sie in sich zurückgezogen.
Die Ankunft des nächsten Frühlings erwartend.
Die Personen und die Handlung der Geschichte sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
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In der lichtvollen Jahreszeit scheint die Einsamkeit am größten!
Herzlich,
Anna-Lena
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In keiner anderen Jahreszeit sind die Erwartungen größer. Und in einer lichtvollen Zeit werden auch die dunklen Ecken ausgeleuchtet und sichtbar. Liebe Grüße, Bernd
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Da hast du recht, lieber Bernd und sehr zutreffend gesprochen.
Herzlich,
Anna-Lena
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Müssen wir AUCH die Liebe und ihre 1000-fachen Lichter wirklich in Kästchen sortieren oder nicht einfach dann genießen, wenn sie uns ergreift?
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Glücklich derjenige, den die Liebe einfach so ergreift. Manchen überrennt sie, andere verfehlt sie knapp.
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Deine Geschichte gibt so viele Denkanstöße, auch für jemanden wie mich nach fast 24 Ehejahren.
Und ja, es gibt diese Zeiten im Leben, in denen wir nur auf den Frühling warten können. Das ist ganz schön schwer auszuhalten.
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Danke für deinen Kommentar. Und der Frühling wird kommen! Liebe Grüße, Bernd
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Den Rilke kann ich auswendig 😉. Und ich hätte anstatt „nicht erwiderter“ lieber „gescheiterter“ Lieben gelesen, es macht sie aktiver.
Ansonsten kommt deine Etüde der Wahrheit vieler sehr nahe, glaube ich. Danke dafür.
Liebe Grüße
Christiane
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Das wäre dann eine andere Geschichte, die noch zu erzählen wäre. Gescheitert würde bedeuten, die Lieben hätten zeitweise gelebt werden können. Es gibt Menschen, die lieben regelmäßig knapp daneben, sind überaus beliebt aber werden nicht geliebt. Die, in die sie sich verlieben, verlieben sich nicht in sie, und die, die sich in sie verlieben, in die verliebt sie sich nicht. Ich habe das Phänomen beobachtet und habe mich noch nicht mit möglichen Ursachen tiefergehend beschäftigt. Wann und bei welcher Gelegenheit findet eine Prägung auf einen bestimmten Partnertyp statt? Bei Herkunftsfamilien mit Sucht- oder Gewalthintergrund ist es ja überdurchschnittlich oft der Fall, dass die Kinder sich ebenfalls an Partner binden, die Sucht- oder Gewaltpotenzial haben. Aber wie ist es, außerhalb des Auffälligen?
Liebe Grüße, Bernd
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Ich habe überdurchschnittlich oft beobachtet, dass Männer sich in Frauen verlieben, von denen es mir schien, dass die bestimmte Aspekte ihrer Mütter verkörperten. (Umgekehrt vermute ich, dass es auch so ist.)
Warum es gerade diese Aspekte sind oder waren (außer der Suche nach etwas Vertrautem, Sicherheit gebendem, Geliebtem)? Keine Ahnung. Und ich glaube auch, dass das oft die Probleme zwischen Schwiegermüttern und -Tochter begründet/verstärkt, sie sind einander zu ähnlich und daher noch mehr Konkurrenz. Hannibal Lecter erinnert Clarice Starling im „Schweigen der Lämmer“ (Buch) daran, dass wir alles zu begehren beginnen, was wir täglich sehen (wobei ich nicht weiß, ob der Gedanke nicht von Mark Aurel stammt, auf den er sich an der Stelle auch beruft). Ich glaube, da ist was dran. Man liebt, was man kennt. Gegensätze mögen sich anziehen, aber die Untersuchungen zeigen, dass schlussendlich die Paare mit den meisten Gemeinsamkeiten lange zusammenbleiben …
Liebe Grüße
Christiane
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Danke. Das erklärt, warum sich viele Paare am Arbeitsplatz oder in Vereinen finden. Es erklärt auch, warum viele Paare scheitern, deren Schnittmenge nicht besonders groß ist. | Liebe als unbewusster Gewöhnungseffekt. Hilfreich in Zeiten des täglichen Überlebenskampfes. Und je mehr Freizeit wir haben, desto eher hinterfragen wir diesen Effekt und wählen bewusster aus und tun uns schwer damit.
Liebe Grüße, Bernd
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Also bleibt nur, sich immer besser kennenzulernen, was übrigens auch jede*r von sich glaubt, dass er/sie es täte. Und dann kann man Prägungen auflösen, wenn man sich ihrer bewusst ist? Kann man das?
Unsere Gefühle sind nicht so einmalig, wie wir aus Filmen oder Büchern gelernt haben zu glauben … Und eine Amour fou ist wesentlich netter, wenn man nicht selbst drinsteckt, obwohl es sich vielleicht doch jede*r im Stillen wünscht – ich weiß es nicht …
;-)
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Nein, Prägungen lassen sich nicht auflösen. Man kann aber den Impuls des sich Verliebens kritisch beobachten, muss ihm nicht sofort nachgehen und kann erst einmal gelassen bleiben. Für eine dauerhafte Beziehung ist wichtiger, was bereits an Gemeinsamkeiten erkennbar ist, vor allem bei Menschen, in die man sich (noch) nicht verliebt. Das ist die Taube auf dem Dach, in die sich manche/viele Menschen aufgrund frühkindlicher Prägung verlieben und übersehen den Spatz in ihrer Hand, der so gut zu ihnen passte.
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Vergiss die Schmetterlinge im Bauch nicht.
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Schmetterlinge im Bauch = Verliebtsein?
Wer auf die falschen Schmetterlinge im Bauch geprägt ist, dem nützen sie nicht.
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Nein, ich meinte den Wunsch nach dem Irrationalen, Verspielten, das die berühmten Schmetterlinge so oft beinhalten.
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Ja. – Ich sage es einmal anders herum: Solche Menschen müssen andererseits aufpassen, nicht zu verkopfen.
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Genau das meinte ich.
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